20. Februar 1995

7. Tag

Flug nach Hong Kong. Ewig früh, aber das war der einzige Flug an dem Tag, zumindest der einzige, der von Deutschland aus gebucht werden konnte, und zu diesem Zeitpunkt war ich mir noch nicht so sicher, ob man einfach so Daten umbuchen konnte. Schon der Anflug auf Kai Tak ist anders, man schwebt über Häusern aufs Meer zu und hofft, daß der Pilot hoch genug bleibt, um nicht die Wäscheleinen mitzunehmen, aber doch schnell genug runterkommt, um nicht hinten ein (kaltes) Bad zu nehmen. Wer diesen Anblick noch genießen will, sollte sich übrigens beeilen, der neue Flughafen Chek Lap Kok wird allem Anschein nach '97 oder '98 in Betrieb gehen (eine gigantische Unternehmung übrigens, die ganze Insel Chek Lap Kok wurde bis auf 6 m Höhe eingeebnet und um das 4-fache vergrößert).
Vom Flughafen in die Stadt ist recht einfach, schließlich liegt Kai Tak schon am Rand von Kowloon, wo ich im YMCA eine Reservierung hatte für ein Einzelzimmer, das hatte ich von zu Hause aus erledigt und mich da mit dem Wechselkurs ein wenig verrechnet, statt der 35 DM, die ich ausgerechnet hatte, sind es jetzt etwas über 100 DM pro Nacht, aber glücklicherweise haben sie noch ein Bett im Dorm frei, für 35 DM, aber nur für eine Woche statt der 10 Tage, die in meinem Flugplan stehen. Na schön.
Faszinierend ist hier das Tempo und die Effizienz beim Einchecken: ich habe kaum gesagt, was ich wollte, da darf ich schon die Kreditkartenabrechnung unterschreiben und laufe auf mein Zimmer hoch, das sich als normales Hotelzimmer entpuppt, in dem zwei Stockbetten stehen, mit einem nicht berauschenden Blick aus dem Fenster, aber einem perfekten Bad (dem wohl besten bis zum Funky Green Voyager in Rotorua/NZ).
Dann, wie üblich, erstmal rund um den Block gezogen. Direkt gegenüber ist das Hong Kong Museum of Art, mit einer schönen Kalligraphieabteilung (auch wenn ich in der Kalligraphie und den Zeichnungen kaum eine Entwicklung über die Jahrhunderte sah) und einem guten Abriß über die Geschichte Hongkongs (was ist eigentlich der Unterschied zwischen Hong Kong und Hongkong?). Zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen: einmal in einer relativ kleinen Privatgalerie von Kalligraphie (die hier übrigens wohl die allerwichtigste Kustform ist) und Zeichnungen saß im Eck, nein, eigentlich mitten in der Abschlußwand, also an absolut zentraler Stelle, eine feiste Bronzestatue des Stifters in Lebensgröße. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß sich die Kalligraphie, aber auch die Malerei vom 16. bis zum 20. Jahrhundert nicht sichtlich verändert hat. Oder habe ich da nur das ungeschulte Auge dafür? Die Änderungen nach 1930 waren da schon deutlicher: rote Trennungslinien, die die einzelnen Symbole in Kästchen einteilten. Oder in der Malerei, da gings dann weg vom Gegenständlichen stärker in die reine Andeutung.
Danach habe ich entschieden, daß das Space Museum keinen Besuch wert ist, und bin weiter die Canton Rd hoch, lief mal hierhin und mal dorthin, schaute ins Gateway rein, ein neuer Zwillingsturm, und entdeckte dort eine Plakette, nach der das Teil heute vom Governor feierlich eröffnet worden war (hat man auch nicht alle Tage). Zurück über die Nathan Rd, die Haupteinkaufsstraße hier, noch rübergeschaut zum New World Centre (belanglos) und kurz wieder im Y vorbeigeschaut, dort einen Schwaben kennengelernt, der seit 2 Jahren in Taiwan lebt, aber bald wieder weg möchte, sich mit Sprachunterricht ganz passabel über Wasser hält, und offenbar nur hier ist, um der Ausreise-/Wiedereinreisepflicht alle 3 Monate zu genügen.
Dann bin ich wieder raus zum Essen, das Planet Hollywood um die Ecke hatte mich angelacht, die Atmosphäre ist toll, so werden z. B. die besten Schießereien der Filmgeschichte zusammengeschnitten zu "Another one bites the dust", von High Noon bis Star Wars; nur daß ich der einzige Alleinsitzende war, fand ich komisch, und die Pizza war auch nicht sooo toll.

8. Tag

Fax von Schatz: Freude!
Frühstück ist leider nicht inbegriffen, die Bar unten könnte mir da schon weiterhelfen, aber 15 DM nur für ein Standardfrühstück..? Ich beschließe, auf dem Weg zur Star Ferry etwas zu nehmen, und lande beim Schotten (McDo). Immerhin, billig wie nichts anderes, und gefüllt ist man hinterher auch.
Dann Star Ferry. Noch immer eines der meistbenutzten Verkehrsmittel ist sie ein echter Inbegriff Hongkongs, mit den ewig gleichen Fähren seit Jahrzehnten unterwegs, schnell und preiswert. Drüben in Victoria folge ich meinem Führer (DuMont Reise-Taschenbücher) zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten, Norman Fosters Hong Kong Bank und Ieoh Ming Peis Bank of China Tower, das übrigens eine der ganz wenigen Bauten hier ist, das ohne die Hilfe eines Geomantikers erbaut wurde. Das sind daoistische Priester, die positive und negative Kraftzonen ermitteln und den Drachen den Weg zum Wasser offenlassen; daher sind z. B. die Rolltreppen im Atrium der Hong Kong Bank schräg, um guten Geistern den Zutritt zu ermöglichen. Noch ein Bonmot zur Hong Kong Bank: es heißt, die wahren Machthaber der Kronkolonie seien die Bank, der Royal Hong Kong Jockey Club und der Gouverneur - in dieser Reihenfolge. Das Innere der Bank of China, über die Rotchina den Großteil seiner Geschäfte abwickelt, würde gut zu einer negativen Utopie im Stile von "Brazil" passen, grauer Granit, eine Formgebung wie in Gruften, und praktisch keine Verzierungen. Monumentalarchitektur a la Albert Speer. Dafür eine Reihe kostenloser Telefone, von denen aus ich meinen Flug um drei Tage vorziehe.
Das wirklich ungeheure hier in Central und auch drüben in Wan Chai ist das Neben- und Durcheinander von öffentlichem und privatem Raum: die Fußwege sind von der Verkehrsebene getrennt, meist erhöht, und die Eingangsbereiche der Wolkenkratzer gehören einfach dazu, das gilt offenbar als Verkehrsfläche, so wie auch die Eingangsbereiche auf der Fußgängerebene die eigentlichen Eintrittszonen sind, nicht die Erdgeschosse. Die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Raum bilden vermutlich die Lifts.
Weiter über die Citibank in den Hong Kong Park und Flagstaff House mit dem Museum of Teaware, wo ich einen schönen Einblick in die Theorie und Praxis des Teegenusses gewinnen konnte. Dann hoch zum Botanical Garden, nichts besonderes, aber von dort hatte man einen guten Blick über eine der Hauptverkehrsadern, wo ich eine weitere Statistik verifizieren konnte: die Rolls-Royce-Dichte ist hier so hoch wie nirgendwo sonst; auf praktisch jedem Blick auf diese Straße ist mindestens einer, und wenn kein RR, dann wenigstens ein Ferrari oder vergleichbare Erzeugnisse aus der Gegend um Bologna.
Über die Queens Rd Central komme ich zu einer der Besonderheiten Hongkongs, der Rolltreppe. Nachdem die meisten Einwohner Victorias in den Mid Levels wohnen, aber unten arbeiten, ließ man sich eine 800 m lange Rolltreppe als öffentliches Verkehrsmittel einfallen, die jetzt zwischen 6 und 10 abwärts, sonst aber aufwärts fährt. Damit fuhr ich nach oben, an der Moschee vorbei, versuche einen Besuch bei der Ohel Leah Synagoge, aber sie hat zu, und fahre ganz nach oben, um einen Eindruck vom Wohnen in den Mid Levels zu gewinnen. Gedrängt. 38 Stockwerke sind hier inzwischen Standard, und Gebäude, die sich einige hundert Meter am Hang entlang ziehen, sind keineswegs selten. Dann wieder runter in zwei Tempel, im zweiten lerne ich Silke kennen, eigentlich aus Oldenburg, aber im Moment 9 Monate in Tokio bei ihrem Freund, mit der ich desweiteren durch die Gegend ziehe. Zunächst einen Happen essen im Sheung Wan Complex, einer Art Markthalle für viele verschiedene food stalls, dann weiter durch das Viertel mit seinen chinesischen Apotheken, die so leckere Dinge wie Deer Fetus oder getrocknete Antilopenpenisse im Schaufenster hatten. Ebenfalls eine gute Idee für den zeitarmen Geschäftsmann, der trotz der Enge der Stadt nicht auf seinen Hund verzichten will: ein Laufband für den niedlichen Pitbull.
Wir laufen weiter nach Westen, aus der Stadt raus, und landen in einem recht heruntergekommenen Teil, nehmen von dort die Straßenbahn zurück, was auch nicht schneller geht als zu Fuß, aber bequemer ist, und verabreden uns für den Abend am Night Market.
Ich versuche doch noch in die Hong Kong Bank zu kommen, aber es ist schon zu spät, daher fahre ich auch wieder rüber in mein Hotel, ruhe mich ein wenig aus und laufe dann über die Nathan Rd mit dem Blick auf einige Objektive (ich wollte mir ein Tamron 28-200 Zoom für meine Canon A 1 zulegen, da ich wußte, daß das hier sehr günstig würde) zum vereinbarten Treffpunkt, wo sie auch gerade eintrifft. Der Night Market in der Temple Street ist bunt, relativ professionell, nicht superbillig, aber billig, falsche Uhren (oder echte, die irgendwie vom Laster gefallen sind?) werden nur unter der Hand mit Katalogen verkauft, in einer konspirativen Atmosphäre, wie ich mir früher die Schieber vorstelle, die im Mantel ihre Ware ausbreiten. Diesmal bin ich noch durch ein Bargeldproblem gehandicapt, also kaufe ich mir nur etwas zum Essen, würzig und gut, und überlege, was ich denn brauchen könnte.

9. Tag

New Territories. Wenigstens kein Niesel wie gestern. Nach der eher späten Verabredung morgens entschließen wir uns mehr oder minder spontan, einen Ausflug in die New Territories zu machen. Zunächst mit der MTR nach Tsuen Wan, einem ehemaligen Fischerdorf, jetzt eine häßliche Trabantenstadt für vielzuviele Einwohner. Erschreckend. Wohnsilo neben Wohnsilo, alle schmal, aber furchtbar hoch (35-40 Stockwerke). Gegen diese Teile und gegen diese Wohndichte wirken Plattenbausiedlungen in Ostdeutschland regelrecht idyllisch. Dort mit dem Taxi zum Yuen-Yuen-Inst. und Western Monastery. Diese Tempel gefallen mir schon besser, das hat wenigstens noch was von custom built, und nicht "kleines Heiligtum inmitten von Wohnungen".
Zurück und mit dem Bus an der Küste entlang mit dem Blick auf die Baustelle der Anbindung des neuen Flughafens nach Tuen Mun, einer noch wesentlich gesichtsloseren Trabantenstadt, die heute 400.000 Einwohner und sonst nur noch das größte Shopping Centre des Planeten beherbergt. Das Mittagessen dort war auch nicht so der Hit, aber gab neue Kraft für die weiteren Tempel, Miu-Fat, ein recht neues, sehr schönes Heiligtum im 2. Stock, mit 3 vergoldeten Buddhas und Deckengemälden, my personal favourite yet, und Ching Chung Koon, größer, typischer, mit irrsinnigen Mengen Ahnentäfelchen, in dem wir einen Einblick in die Bestattungsriten gewannen: zum einen gibt es sowas wie Friedhöfe in der Regel nicht, die Toten werden verbrannt, und als Erinnerung stellen die Hinterbliebenen kleine Täfelchen in die dafür vorgesehenen Räume im Tempel. Zusätzlich mit den Toten werden spezielle Beigaben verbrannt, wie Autos aus Papier oder extra angefertigte Geldscheine mit horrend hohen Notierungen, ausgegeben als "Bank Notes from Hell". Bis Yuen Long sind wir auf dem Trip gekommen, dort haben wir dann aber erfahren, daß es keinen Bus auf der Inlandsroute nach Tsuen Wan zurück gibt, und sind so auf dem Weg zurück, wie wir hergekommen waren
Ausgestiegen sind wir dann in der Gegend son Sham Shui Po, wo die Flieger schon recht krass über die Kreuzungen düsen, bereits mit ausgefahrenem Fahrwerk. Das wirkt wie auf den Fotos, nur lauter. Man hört sie etwa 10 sec, bevor man sie sieht, dann schweben sie 6 sec über die Kreuzung, und weg sind sie. Selbst beim Einschweben sind sie noch höllisch laut; ich hoffe nicht, daß das auch die Abflugroute ist! Dort fanden wir auch einen recht neuen Bau, ein Shopping Centre auf 8 Etagen, das Dragon Center, in dieser heruntergekommenen Gegend ziemlich deplaziert, aber vermutlich schon für die Zeit nach Chep Lap Kok, mit einem Vergnügungscenter auf den 2 Stockwerken darüber, kleine Stände für die Kiddies, eine food hall und, man beachte, eine Eisbahn (im 9. Stock!) und eine Achterbahn (direkt unter dem Dach), die auch über das Atrium führte, aber leider noch nicht in Betrieb war.

10. Tag

Morgens noch mal mit Silke weg, erstmal auf einen Tee ins Peninsula nebenan. Tee aus der Silberkanne, durch ein silbernes Sieb gefiltert und dann mit heißem Wasser aus der Silberkanne verdünnt; Geld macht halt doch manchmal einen Unterschied (auch wenn der Tee hier gar nicht so teuer war).
Dann einen Ausflug nach Wong Tai Sin, dem meistbesuchten Tempel Hongkongs, wo tatsächlich quirliges Leben herrschte; eines der typischen Geräusche dort ist das Rasseln von Holzstäbchen in Holzbechern, die so lange geschüttelt werden, bis sich ein Stäbchen rausgeschoben hat; dieses trägt man dann zu einem der vielen Weissagungshändler rundherum, der einem ein Stück Papier mit der entsprechenden Nummer verkauft, auf dem dann eine Weissagung steht.
Von dort aus sind wir noch über den Vogelmarkt geschlendert, wo Tausende Vögel in winzigen Käfigen sitzen und zwitschern, und wo man lebendes Futter für seine kleinen Lieblinge bekommt, bis hin zu 6 cm langen grünen Grashüpfern. Silke mußte dann wieder nach Tokio, ich suchte nach einem Objektiv, wurde aber noch nicht final fündig, und ging dann schließlich ins Hotel zurück, wo ich mich mit Jill traf, meiner "Ehefrau" aus Patpong. Zusammen fuhren wir dann nach Wan Chai, machten dort in etwa den Rundgang, den mein Reiseführer vorschlug, bis sie dann zu ihren Freunden zurückmußte und mich ganz in der Nähe des Goetheinstitutes zurückließ. Ihre Meinung als New Yorkerin über das Nebeneinander von öffentlichem und privatem Raum war recht aufschlußreich: dort sitzt der Wächter am Eingang und sagt "Sorry, private property"; genauer "Private property, get lost, creep!"
Ich bin dann alleine erstmal in die "Arts+Electronics"-Ausstellung im Goethe-Inst., interessantestes Exponat war "Legible City", ein Tretrad, das an einen Computer gekoppelt war, der wiederum einen Projektionsfernseher bediente: als Umgebung konnte man so in verschiedenen Städten umherfahren, deren Stadtpläne digitalisiert waren und deren Häuserfassaden durch Buchstaben ersetzt waren, wodurch man sich durch verschiedene Gedichte durchradeln konnte.
Danach fand ich in der Bibliothek des Instituts eine wenigstens halbwegs frische Süddeutsche, bevor ich nach nebenan ging ins Convention and Exhibition Center auf eine Ausstellung Career and Chance über Fortbildungsmöglichkeiten in der Region, wo ich aber leider zu spät war und statt dessen in mein Lieblingscafe gehen mußte auf ein Mexican Buffet für nen Zehner, incl. eines Coronas; besonders witzig waren die drei Chinesen, die in der typischen chinesischen Uniform (dunkle Anzughose, weißes Hemd) mit Ponchos drüber und Sombreros, die auf 2 Geigen und einer Gitarre mit sino-mexikanischem Schmiß neapolitanische Canzone spielten, oder was sie dafür hielten. Am meisten beeindruckte mich die Aussicht durch das größte Fenster der Welt rüber auf Kowloon: es war bereits dunkel, also war die Skyline hell erleuchtet, obendrüber war die Wolkendecke in ein paar hundert Meter Höhe geschlossen, aus dieser fielen weit links immer wieder ein stetiges weißes Licht, gefolgt von einem roten Blinklicht und einem weißen Doppelblitz raus, die dann langsam nach rechts sanken, hinter den höheren Wolkenkratzern verschwanden, schließlich in das Häusermeer abtauchten und erst beim Bremsen auf der Landebahn wieder zum Vorschein kamen. Ein fantastischer Anblick! Kai Tak ist sicher der am spektakulärsten gelegene Airport der Welt. Und Zusätzlich gab es noch das Gewimmel im Hafen, immer wieder die Star Ferry, deren Boote so aussehen wie hundert Jahre alt, die aber teilweise erstaunlich neu sind. Die Flieger rausgehen zu sehen, ist schwieriger, da sie nur kurz im Sichtbereich verweilen. [Leider ist inzwischen die Aussicht schon wieder zugebaut.]
doch, ich glaube, in Hong Kong könnte ich (keine großen Veränderungen nach '97 und ein großes Spesenkonto vorausgesetzt) gut überleben. Ohne Geld ist das hier jedoch sicher ziemlich übel.

11. Tag

Macao. Enttäuschend. Ich hatte sowas wie eine Kleinstadt im Kolonialstil erwartet, aber eigentlich hätte ich da auch selber draufkommen können, daß das wohl ein bissl optimistisch ist bei einer chinesischen Stadt. Es ist fast so wie Hongkong, die Pace ist nicht ganz so schnell, dafür ist es lang nicht so edel, aber ähnlich dreckig. Im Einzelnen:
Ganz passabel früh aufgestanden, rüber zum Macao Ferry Pier, durch Zufall auf die billigste Fähre überhaupt gekommen, die nur zweimal am Tag fährt, und sofort losgefahren. Die Überfahrt war ruhig, aber länglich, wenigstens waren die beiden Reisekauffrauen auf den Sitzen neben mir ganz lustig, und so zog ich mit ihnen noch etwas länger durch Macao. Auch neue Stempel im Reisepaß gab's, Ausreise aus HK und Einreise nach Macao, sowie die entsprechenden Stempel auf dem Rückweg. Das Casino ist selten häßlich, ein 70er-Jahre-Bau, und von innen noch schlimmer. Um reinzukommen, mußten wir die Rucksäcke abgeben, aber ich durfte meine Kamera nicht drinlassen; drinnen zu fotografieren, war aber ebenfalls verboten, und zur Erinnerung daran bekam ich ein "Nicht-Fotografieren-Schild" auf die Kamera geklebt (das übrigens jetzt noch drauf ist).
Nächster interessanter Punkt war das Hotel Bela Vista, ein Kolonialbau mit Kaminfeuer und einem guten Tee mit Blick aufs Meer, von wo aus wir zur Penha-Kirche ganz oben auf der Halbinsel weiter sind, eine portugiesische Kolonialkirche wie manche, aber reizvoll gelegen. Dort mußten sich auch die Mädel schon wieder verabschieden, so daß ich allein zum A-Ma-Tempel weiter bin, der die erste Struktur an dieser Stelle war, irgendwann im frühen 16. Jhd. von ans Land gespülten Fischern erbaut. Ein schöner Tempel, mit der Besonderheit, daß dort, als ich aus dem recht durchschnittlichen Schiffahrtsmuseum gegenüber komme, eine Art Lärmzeremonie abgehalten wird, bei der ein etwa 8 m langes Seil mit eingeflochtenen Chinaböllern in ein Faß mit brennendem Benzin gesenkt wird, was so richtig laut ist; der Anlaß war wohl eine Hochzeit.
Von da aus bin ich dann endlich in die eigentliche Innenstadt vorgedrungen, die schon recht runtergekommen ist, offenbar aufgrund extremen Mieterschutzes. Das Theater erinnert mich an die Bilder aus Manaus, nur daß das hier grün ist; die krassen Farben gibt es dann gleich wieder im Inneren der Kirche Santo Agostinho, wo eine pink-orange Beleuchtung mit grünem Interieur gemischt wird. Über den Hauptplatz ging es dann weiter zur Fassade von Sao Paolo, (das Schild da auf dem Gras, heißt das, was ich vermute?) die, für eine christliche Kirche recht ungewöhnlich, Bilder von Galeonen und chinesischen Drachen enthält.
Oben auf dem Forte do Monte genieße ich dann den Blick über die Stadt, sofern man da von Genießen sprechen kann, da das Wetter kalt und bedeckt ist und die Stadt auch nicht so schön anzusehen ist; interessant ist jedoch die Bebauung auf der anderen Flußseite, die schon zu China gehört, mit neuen, leicht protzigen, gutgepflegten Bauten aus den End-80ern. Auf dem Weg zurück zur Fähre laufe ich noch vor Sonnenuntergang durch den Camoesgarten, kaufe dann mein Ticket und esse im Fährterminal in einem Schnellchinesen, schreibenderweis.

12. Tag

Objektiv gekauft. Der wichtigste Punkt des Tages gleich am Vormittag: ich habe noch einige Läden in der Nähe des Y wegen eines Objektives abgeklappert, und in einem hatten sie zwar kein Tamron, aber der Verkäufer zeigte mir ein Fujiyama mit den gleichen Spezifikationen für deutlich weniger als das Tamron rundrum gekostet hätte (nie unter 2100); ich durfte es auf meiner Kamera ausprobieren, und als der Verkäufer von den 1600 HK$, die er eigentlich haben wollte, auf seinem Taschenrechner (hier handeln übrigens alle mit dem Taschenrechner, wohl um absolute Klarheit über den Preis zu haben) x .8 eintippte, war's um mich geschehen. Gut, rückblickend gesehen ist es nicht verzerrungsfrei in allen Brennweiten, was das Tamron wohl ist, aber dafür kostete es auch nur 2/3 des Preises in Deutschland.
Von dort aus bin ich gleich in den Kowloon Park und dort ins Historische Museum, das sehr gut war und auch die Geschichten aus der Besatzungszeit im zweiten Weltkrieg gut aufbereitete, aber leider 1991 endete.
Danach bin ich noch mal rüber nach Wan Chai, bin endlich in die Exhibition gekommen, HKUST ist gut, aber brauch auch für den Doktor zu lange, und die Australier waren da in Massen vertreten. Abends bin ich dann noch mal im Cafe dort sitzengeblieben, bevor ich auf dem Rückweg noch ein Döner (sic!) abgegriffen habe.

13. Tag

Victoria Peak. In Wolken. Morgens fahre ich mit der Fähre an der QE 2 vorbei, die offenbar in der Nacht hier angelegt hat; schon ein großes Schiff! Ihre Vorgängerin ist ja hier im Hafen ausgebrannt und wurde dann unter anderen als Kulisse für Bond benutzt ("You Only Live Twice").
Drüben in Central empfängt mich das berühmte "Vogelgezwitscher" der Tausenden Filipinas: die vielen Hausmädchen aus den Philippinen haben am Sonntag frei und treffen sich in Central, tauschen sich aus, schwatzen, sind lustig, lassen sich die Haare oder was auch immer machen und bieten ein buntes Bild der Lebensfreude (auch oder gerade weil es ihnen sonst nicht so gut geht).
Dann bin ich mit der Peak Tram rauf auf den Victoria Peak, der Aussicht wegen, die, bis ich oben war, auf praktisch null reduziert war. Die Peak Galleria war jedoch frisch eröffnet, und so bin ich dort etwas shoppen gegangen, habe in einer Holographiegalerie ein nettes Teil entdeckt, ein Fernrohr, das auf einen Häuserblock gerichtet ist, durch das durchschauend man ein Mädel in Lingerie sieht, bei einem Dim-Sum-Stand mir eine Kollektion chinesischer Köstlichkeiten geleistet, ein T-Shirt von mir als Indiana Jones anfertigen lassen. Ein Außergewähnlicher Laden war Ecostar, der die Ecosphere verkaufte, eine Glaskugel, etwa 15-20 cm im Durchmesser, die zu etwa 2/3 mit Wasser gefüllt ist und eine speziell aufeinander abgestimmte Mischung aus Algen, Seepferdchen und Bakterien enthält, die lediglich durch die Zufuhr von Sonne ein komplettes Ökosystem bilden und keinerlei sonstigen Austausch mit der Außenwelt haben; der Verkäufer erzählt mir, daß er manche Kugeln schon über 6 Jahre am Laufen halte, ohne Wasserwechsel oder sonst irgendeinen Eingriff; er habe sogar schon von Lebensdauern von über 13 Jahren gehört. 2 Drawbacks hat die Sache jedoch: ich kann sie jetzt schlecht in meinen Rucksack packen, und 1000 DM dafür abzudrücken ist im Moment auch nicht so mein Ding. Nach der Rückkehr laufe ich bis Causeway, u. a. zum Taifunschutzhafen, aber man sieht kaum noch alte traditionelle Wohnschiffe.

14. Tag

Flug nach Singapur.


Das Hongkong-Resumee:
Shop till you drop, fast, quick, efficient (meistens), edel, heruntergekommen, reichlich chinesisch, aber gut organisiert, Massen von allem, faszinierend, Fußgängerbrücken, guter public transport, grauenhafte Trabantenstädte, sehr hohe pace, man sieht überall, daß die Parole der Stadt ist "time is money", jeder benutzt den "Türen schließen"-Knopf im Aufzug, der in europäischen oder amerikanischen Aufzügen meist nicht mal drin ist, überall Handys, die größte Dichte an Shopping Malls, die ich je gesehen habe, besides, die größte Dichte an eigentlich allem, die ich je gesehen habe, sicher nicht mein letzter Trip.
Fragen, Kritik, Anregungen an Gregor Giebel.
© Gregor Giebel 1995

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